Indirektes Blitzen in Räumen
Durch das Blitzen über Bande – gemeint ist die Raumdecke oder eine weiße Fläche (Wand) – erhält man gratis ein äußerst voluminöses, also weiches Licht. In diesem Beitrag soll die Technik des indirekten Blitzens näher besprochen werden. Ich möchte nicht mehr darauf verzichten.
Durch das Verstellen des Blitzkopfes greift man effektiv in die Lichtcharakteristik ein – Eine weiße Reflexionsfläche sollte jedoch vorhanden sein.
Einer der ›Schlüsselmomente‹ innerhalb meiner fotografischen Lern- und Experimentierphase war der Moment, bei dem ich ein Blitzgerät mit drehbarem Kopf auf meine Kamera aufsetzte und dessen Lichtkegel nicht wie gewohnt nach vorn – sondern nach oben zur Zimmerdecke schickte.
Mein Motiv war ebenfalls korrekt ausgeleuchtet – Aber wie! Das Blitzlicht erhielt plötzlich eine völlig andere Lichtcharakteristik, fast so als hätte ich eine riesige Softbox beim Fotografieren verwendet. Das Kunstlicht wurde durch diesen kleinen aber entscheidenden Eingriff deutlich weicher in seiner Qualität. Und dies geht durch indirektes Blitzen:
Blitzgerät mit dreh- und neigbarem Kopf
Betrachten Sie sich dieses Tableau:
Die Fähigkeit, die Lichtrichtung zu ändern, haben die Hersteller von Blitzgeräten nicht umsonst ihren Geräten »spendiert«: Auch ohne der Möglichkeit, den Blitz zu entfesseln, ist es durch Drehen und Neigen des Blitzkopfs möglich, das abgegebene Licht über eine (möglichst weiße) Reflexionsfläche zu streuen. Das Licht, welches dann beim Motiv ankommt, besitzt hierdurch nicht mehr den harten, gerichteten Charakter, welchen man eigentlich von so einem Aufsteckblitz erwartet, sondern einen äußerst diffusen, voluminösen.
Beispiele
Um die Technik des indirekten Blitzens bildlich zu verdeutlichen, habe ich einige Schautafeln angefertigt:
Beim direkten Blitzen trifft das Blitzlicht frontal aus der selben Richtung auf das Motiv, aus welcher auch die Kamera sieht. Dies ist eine äußerst unnatürliche Lichtrichtung. Sie kommt in der Natur praktisch nie vor. Daher sehen solche Blitzlichtaufnahmen für uns auch immer so artifiziell bzw. abstrakt aus.
Hinzu kommt, dass die Leuchtfläche des Blitzgerätes sehr klein ist: Dies ergibt sehr harte Schlagschatten – von sanften Schattierungen kann hierbei keine Rede sein. Durch solch ein direktes Licht kommt es weiterhin häufig zu krassen Spiegelungen (Einfallwinkel = Ausfallwinkel = 0).
Beim indirekten Blitzen über beispielsweise eine weiße (und angeraute) Raumdecke wird das Licht jedoch stark gestreut. Wie Millionen von Ping-Pong-Bällen springt es nun im gesamten Raum umher. Der einzige »Lichtstrahl« hat sich sozusagen aufgespalten. Diese vielen kleinen Lichtstrahlen erreichen nun jeden Motivbereich und verleihen diesem natürliche Schattierungen – wie wir es auch aus der Natur kennen.
Allerdings geht damit auch ein Lichtverlust (s. u.) einher: Denn ein Teil der Lichtstrahlen wird beispielsweise auch nach hinten gestreut – wo sie gar nicht benötigt werden.
Ich richte den Kopf meines Blitzgerätes daher meist bei einem Winkel von 45° aus und nicht direkt nach oben. Hierdurch kann man grob die Licht-Richtung beeinflussen. Viele der Geräte bieten hierzu nicht nur entsprechende Rasterstellungen sondern sogar Markierungen mit Winkelangaben.
Eben hatte ich das physikalische Prinzip dahinter schon erwähnt: Einfallwinkel ist gleich Ausfallwinkel. Das geübte Auge kann den richtigen Winkel für die jeweilige Aufnahmesituation recht schnell erkennen: Er hängt vom Abstand Lichtquelle – Reflexionsfläche (z. B. Raumdecke) ab sowie vom Abstand Reflexionsfläche – Motiv. Dies stellt man natürlich Pi mal Daumen ein.
Zoomkopf nutzen
Bei eher weit entfernten Reflexionsflächen nutze ich gerne die s. g. Zoom-Funktion meines Blitzgerätes: Mittels ihr kann ich den Lichtkegel ändern bzw. verengen. Bei sehr hohen Räumen beispielsweise befindet sich die von mir anvisierte Zimmerdecke relativ weit weg. Ich stelle daher den »Zoom« auf z. B. 105 mm ein, verenge den Lichtkegel also etwas.
Dies hat zur Folge, dass der »Lichtfleck« an der Decke nicht unnötig groß, aber ausreichend ist, um ein weiches Licht zu erzeugen. Ich vermeide dadurch ein Verschenken von Lichtleistung und kann das Kunstlicht noch etwas besser lenken.
Ich blitze beispielsweise auch gerne über weiße Türen oder über einen positionierten Klappreflektor. Damit mein Blitzlicht tatsächlich auch nur diese Reflexionsflächen trifft (aber nichts daneben geht), verenge ich den Leuchtkegel.
Es geht auch anders herum: Ist der Abstand Blitzgerät – Reflexionsfläche eher gering (beispielsweise wenn man von einer Leiter aus nach oben blitzt), stelle ich einen sehr weiten Leuchtkegel ein (z. B. 24 mm) oder ich nutze einen Joghurtbecher vor dem Blitzkopf.
Hierbei jedoch muss sich die Zoom-Funktionalität des Blitzgerätes im manuellen Modus befinden. Ansonsten wird nämlich automatisch ein Lichtkegel eingestellt, welcher dem Bildwinkel des verwendeten Objektives entspricht (falls man einen automatischen Systemblitz nutzt). Dies ist beim indirekten Blitzen nicht erwünscht.
Automatische Lichtdosierung
Ansonsten kann beim indirekten Blitzen durchaus die TTL-Belichtungsautomatik eines kompatiblen Systemblitzes verwendet werden. Der Elektronik ist es ja egal, welchen Charakter das Kunstlicht besitzt. Sie interessiert sich nur für dessen Intensität und regelt daraufhin die korrekte Lichtleistung des Blitzgerätes ad hoc.
Wenn das Blitzgerät an seine Leistungsgrenze gekommen ist bzw. wenn die Bilder zu dunkel sind, kann die Automatik natürlich auch nichts mehr ausrichten.
Integrierte Reflektorkarte
Vielleicht haben Sie sich schon einmal gefragt, wozu diese komische weiße Karte am Blitzkopf gut sein soll (falls vorhanden).
Primär geht es hierbei um ein Funkeln in den Augen einer porträtierten Person – um das sogenannte »Catchlight«. Hierdurch wirken Porträts häufig etwas lebendiger.
Einer kleiner, nach vorn abgegebener Lichtanteil könnt aber auch noch für etwas anderes sinnvoll sein – nämlich für ein Aufhellen von Schatten unter den Augen und unter dem Kinn. So etwas entsteht, wenn das Hauptlicht primär von oben kommt. Leider funktioniert das Aufhellen mit dieser kleinen Karte nur bedingt – nämlich nur auf kurzer Entfernung.
Tipp: Bei Halbporträts kann man als Abhilfe direkt vor der Person einen silbernen Faltreflektor (etwas angewinkelt) positionieren. Hierdurch gelangt das Licht von oben durch eine Reflexion auch in die Schattenpartien des Gesichts.
Tücken des indirekten Blitzens
Weiß gestrichene Raufasertapeten eignen sich sehr gut für das indirekte Blitzen. Mit der Zeit altern diese und ich konnte schon einen leichten Rosé-Farbstich bei meinen Bildern bemerken. Und da sind wir auch schon beim Problem mit der Farbe:
Eigenfarbe
Blitzt man also gegen eine blau gestrichene Wand, erhält man einen fiesen blauen Farbstich. So etwas kann in einem gewissen Maß später durch einen manuellen Weißabgleich gefiltert werden x. Die feine Art ist dies aber nicht. Zu allem Unglück gibt es in einem Raum noch viele andere farbige Flächen – Durch das gestreute Licht wollen sie alle nun am Foto beteiligt werden.
x Es empfiehlt sich hierbei, gleich eine Graukarte / Weißkarte für den späteren Weißabgleich in der Bildbearbeitung mit zu fotografieren.
Lichtverlust
Das indirekte Blitzen geht immer mit einem gewissen Lichtverlust einher. Diese Technik ist daher eigentlich nur für starke Blitzgeräte geeignet (sofern man nicht bei sehr hohen ISO-Werten fotografieren möchte).
Mit ca. -2EV bzw. mit zwei Blenden Lichtverlust kann man innerhalb eines „normalen“ Raumes rechnen, wenn man das Licht gegen dessen weiße Zimmerdecke lenkt. Dies bedeutet eine Leistungsreduzierung um 1/4 bezogen auf die Leistung, welche das Blitzgerät beim direkten Blitzen bietet. Bei größeren Räumen ist der Verlust entsprechend höher.
Zu demokratisches Licht
Fotografien leben häufig von Schatten. Durch die enorme Lichtstreuung innerhalb eines weiß gestrichenen Raumes erhält man aber ein sehr geschwätziges Licht: Vieles ist gleich – sehr demokratisch – ausgeleuchtet x. Dies hat den Vorteil, dass dunkle Tonwerte nicht „absaufen“. Charaktervolle Personenporträts sind hierdurch jedoch sehr schwierig anzufertigen.
x bis auf die Augenhöhlen bei Personen bei Licht von der Zimmerdecke, s. o.
Beim Anfertigen von Produktfotografien kleinerer Objekte kann man hierzu einfach schwarzen Karton neben das Motiv positionieren. Dies wirkt Wunder. Bei größeren Sets behelfe ich mir mit der schwarzen Fläche meines Klapp-Reflektors x oder nutze ein schwarzes Tuch.
x Falls Sie sich bisher fragten, wozu die schwarze Hülle eines solchen 5-in-1-Reflektors gut sein soll – jetzt wissen Sie es.
Für wenig Geld bekommt man bereits ein sehr brauchbares Faltreflektor-Set mit dem Umfang von 110 cm. Der universelle Reflektor eignet sich zum Durchblitzen, Gegenblitzen, Abschatten und leichtem Aufhellen. Er ist einer der wichtigsten Zubehörteile für Fotografen.
Fazit
Fast alle Produktfotografien auf dieser Website hatte ich mit der Technik des indirekten Blitzens angefertigt. Ich schätze diese unkomplizierte Vorgehensweise sehr. Mit ihr kann man ohne weiteres Zubehör Vieles erreichen und auf Stative und Lichtformer verzichten. Sie birgt allerdings auch Nachteile – Besonders bei größeren Motiven bzw. Räumen hat man kaum noch eine Kontrolle über das Licht.
Credits müssen sein: Zeichnungen der Personen: freepik.com